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Waagrechter Wurf - Alternative zum Affenschuss

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Waagrechter Wurf - Alternative zum Affenschuss
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Aufbau des Versuches

Kurzbeschreibung
Durch Auslenken und Loslassen der rechten Kugel wird der waagrechte Wurf (rechte Kugel) und der freie Fall (linke Kugel) gleichzeitig vollzogen. Bei korrektem Aufbau treffen sich beide Kugeln in der Luft
Kategorien
Mechanik
Einordnung in den Lehrplan
Geeignet für: Sek II
Basiskonzept: Energie
Sonstiges
Durchführungsform Demoexperiment, Schüler*innen-Experiment
Anzahl Experimente in dieser Unterkategorie 2
Anspruch des Aufbaus mittel
Informationen
Name: Daniel Rapport
Kontakt: @
Uni: Humboldt-Universität zu Berlin
Betreuer*in: Franz Boczianowski
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Bei diesem Experiment handelt es sich um einen alternativen (und weniger "gewaltsamen") Aufbau des Experiments "Affenschuss"[1]. Beim hier vorgestellten Aufbau wird darauf verzichtet, einen Plüsch-Affen zu erschießen. Stattdessen werden Stative, zwei Kugeln und eine Rasierklinge verwendet. Mit dem Experiment wird veranschaulicht, dass eine zusätzliche Geschwindigkeitskomponente in waagrechter Richtung, keinerlei Einfluss auf die Falldauer beim freien Fall hat. Der Aufbau kann leicht modifiziert werden um den waagrechten Wurf einzeln zu untersuchen.


Didaktischer Teil

Für Schüler*innen ist nicht intuitiv klar, dass beim waagrechten Wurf und beim freien Fall Gemeinsamkeiten bestehen. So wird der waagrechte Wurf als ein "Bewegungsablauf als ganzes" (vlg. Rath,V.[2],(2017), S. 252)gesehen, anstatt einer zusammengesetzten Bewegung aus zwei verschiedenen Komponenten. Dementsprechend ist nicht offensichtlich, dass die Falldauer für eine Kugel die aus einer bestimmten Höhe senkrecht fallen gelassen wird, gleich ist zu einer Kugel die (bei gleicher Höhe) zusätzlich einen Anfangsimpuls im 90° Winkel erfährt.

Die Alltagsvorstellung die Schüler*innen hier haben, ist in einer falschen Vorstellung des Kraftbegriffs zu suchen. Schüler*innen wurden bei einer Untersuchung aufgefordert, die einwirkenden Kräfte in das Bewegungsbild eines vorwärts springenden Ball einzuzeichnen. "In der Regel" (Duit[3], (2010), S. 608) zeichneten die Schüler*innen einen Pfeil in Bewegungsrichtung ein. Richtig wäre die Gravitationskraft (und ggfs. die Reibungskraft) einzuzeichnen. Auf das Experiment Rasierklinge angewandt, ist die Präkonzeption der Schüler*innen, dass nach Durchtrennen der Schnur eine Kraft in Bewegungsrichtung der Kugel wirkt. Durch diese Kraft unterscheidet sich der waagrechte Wurf vom freien Fall und die Falldauer muss unterschiedlich sein.

Mit Hilfe des Affenschuss kann der waagrechte Wurf, simultan zum freien Fall durchgeführt werden. Bei klassischen Experimenten, die den waagrechten Wurf und den freien Fall vergleichen (z.B. mit Hilfe einer schiefen Ebene), wird die gleiche Falldauer, durch den Zeitpunkt des Auftreffens auf en Boden gezeigt. Beim Affenschuss wird gezeigt, dass sich die Kugeln zu jeder Zeit auf gleicher Höhe befinden. Mehrmaliges wiederholen des Versuchs, verdeutlicht diese Tatsache. Wird die in der Auswertung erwähnte Software verwendet, können die Bahnkurven der beiden Kugeln während der gesamten Falldauer verglichen werden. Anhand dieser Bahnkurven können die wirkenden Kräft zu jedem Zeitpunkt eingezeichnet werden und die fehlerhafte Vorstellung der Schüler*innen können direkt angesprochen werden. Eine weitere Alltagsvorstellung der Schüler*innen "zum Herunterfallen eines Körper ist keine Kraft nötig" (Duit[3], (2010), S. 609) bzw. "Gravitation ist keine "richtige" Kraft und hat seltsame Eigenschaften" (Maurer[2],(2017) S. 252), können hierbei ebenfalls angesprochen werden. Indem thematisiert wird, dass die Ursache für die gleiche Falldauer in der Gravitationskraft zu sehen ist.

Die Alltagsvorstellung, dass die Masse die Falldauer beeinflusst (vgl. Bogner, M.[4],(2016), S. 4) kann bei diesem Experiment ebenfalls korrigiert werden. Ersetzt man eine der Kugeln durch eine schwerere (oder leichtere), kann veranschaulicht werden, dass sich die Kugeln trotzdem zu jedem Zeitpunkt auf gleicher Höhe befinden.

Versuchsanleitung

Aufbau

Abbildung 1: Übersicht des Aufbaus
Abbildung 2: Befestigung der Rasierklinge

Folgende Materialien werden für den Aufbau benötigt:

  • 2 lange Stativstangen
  • 1 mittlere Stativstange
  • 3 kurze Stativstangen
  • 4 Stativstangenverbindungen
  • 2 Tischklemmen für Stativstangen
  • 1 Stativstangenfuß
  • 2 Tische
  • 1 Rasierklinge
  • 2 (gleichschwere) Kugeln mit Haken/Ösen
  • Bindfaden
  • Kreidepulver (nur für waagrechten Wurf)

Wird nur das waagrechte Wurf untersucht, entfällt die zweite Kugel, eine Tischklemme, eine große Stativstange, eine kleine Stativstange und ihr Verbindungsstück.

Alternativer Affenschuss

Die beiden Tische werden T-förmig aufgestellt. Die Stativstangen werden wie in Abbildung 1 zu sehen mit den Tischklemmen an den Tischen befestigt. Zu beachten ist hier, dass die beiden kleinen Stativstangen gegensätzlich orientiert sind. Die Rasierklinge wird wie in Abbildung 2 angebracht. Die Kugeln müssen so angebracht werden, dass sie sich in gleicher Höhe (über dem Boden) befinden und auf einer Ebene liegen. Die Kugeln müssen gleichschwer sein damit sich der Aufbau im Gleichgewicht befindet.

Waagrechter Wurf

Für diese Modifikation wird der linke Tisch in Abbildung 1 entfernt und nur eine Kugel mit der Schnur an der kleinen Stativstange befestigt. Im Bereich des erwarteten Aufpralls empfiehlt es sich Kreidepulver zu verteilen um den genauen Aufschlagspunkt und damit die Entfertung auswerten zu können.

Durchführung

Alternativer Affenschuss

Die Durchführung des Experimentes wirkt im ersten Moment recht leicht, es ist jedoch einiges an Übung notwendig. Die Kugeln müssen genau so ausgerichtet sein, dass die exakt auf einer Höhe sind und sich in der gleichen Ebene befinden. Hierzu bietet es sich an sich so zu positionieren, dass ein Auge genau auf Höhe der Kugeln ist. So können Parallaxenfehler verhindert werden. Sind die Kugeln positioniert, muss die Rasierklinge so platziert werden, dass sie sich an der Ruheposition der rechten Kugel direkt über der Öse befindet (siehe Abbildung 2).

Nun wird die rechte Kugel ausgelenkt. Dabei ist es wichtig die Schnur an der Stativstange festzudrücken um während der Auslenkung die Position der linken Kugeln zu fixieren. Auch beim loslassen muss die Schnur weiter festgehalten werden, erst kurz bevor die Kugel die Rasierklinge erreicht, muss die Schnur losgelassen werden. Im folgenden Video ist eine erfolgreiche Durchführung zu sehen.

Waagrechter Wurf

Damit die potentielle Energie der Kugel bei der Auslenkung bestimmt werden kann, muss zunächst gemessen werden in welcher Höhe sich die Kugel in Ruheposition befindet. Es bietet sich an den Tisch als Bezugspunktpunkt für die Höhe zu verwenden, da diese Höhe leicht mit einem Lineal bestimmt werden kann. Um die tatsächliche Wurfweite mit einem theoretischen Wert zu vergleichen, muss der Abstand zum Boden gemessen werden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Unsicherheiten kleiner waren, wenn die Tischhöhe zur Höhe der Ruheposition über dem Tisch addiert wurde, anstatt direkt den Abstand zum Boden zu messen. Die Höhe der ausgelenkten Kugel muss ebenfalls bestimmt werden, die Differenz der beiden Werte entspricht der Höhe, die für die Berechnung der potentiellen Energie nötig ist. Nach loslassen der Kugel pendelt sie zurück in Richtung Ruheposition, wo die Schnur von der Rasierklinge durchtrennt wird. Daraufhin vollführt die Kugel einen waagrechten Wurf. Die Wurfweite ist mit bloßem Auge kaum zu erkennen, da der Versuch zu schnell von statten geht. Eine Möglichkeit den Aufprallpunkt zuverlässig zu bestimmen, ist das verteilen von Kreidepulver im erwarteten Bereich des Aufschlags. Die Kugel hinterlässt einen Abdruck und die Weite kann mit einem Zollstock gemessen werden.

Ergebnisse

Affenschuss

Wurde das Experiment sorgfältig aufgebaut und durchgeführt treffen sich beide Kugeln in der Luft. Wenn sich die beiden Kugeln nicht in der Luft treffen, sollten sie trotzdem zumindest gleichzeitig auf dem Boden aufschlagen. Da das Experiment sehr schnell abläuft, sollte es mindestens zweimal durchgeführt werden. Man kann den Aufprall der Kugeln (sowohl miteinander, als auch wenn sie gleichzeitig auf dem Boden aufschlagen) zwar gut hören, doch sind zur Veranschaulichung weitere Schritte nötig. Eine Videoaufnahme des Experiments ermöglicht den Versuch nochmals in Zeitlupe anzuschauen und das Aufeinandertreffen visuell zu "beweisen". Im Falle des hier gezeigten Videos, wurde ein iPad und die App "Vernier Video Physics" verwendet. Mit Hilfe der App können die Bewegungen eines Objekts in Zeitlupe dargestellt werden. Zusätzlich bietet die App die Möglichkeit ein Objekt zu "tracken", wodurch die Flugbahn dargestellt werden kann.


Waagrechter Wurf

Zur qualitativen Auswertung besteht auch bei diesem Experiment die Möglichkeit, mit oben genannter App zu arbeiten um die Flugbahn zu veranschaulichen. Die Höhe der Kugel über dem Boden war konstant . Es wurden sechs Messungen bei gleicher Auslenkung durchgeführt und weitere sechs Messungen mit verschiedenen Auslenkungen. In der Auswertung werden die gemessenen Werte mit den theoretisch berechneten verglichen. entspricht der Wurfweite. Messungen mit konstanter Auslenkung:

Messung
1 0,148 0,783
2 0,148 0,773
3 0,148 0,792
4 0,148 0,783
5 0,148 0,782
6 0,148 0,782
0,783

Messungen bei verschiedenen Auslenkungen:

Messung
1 0,163 0,78
2 0,134 0,745
3 0,151 0,735
4 0,189 0,825

Auswertung

Waagrechter Wurf

Der gemessene Wert soll natürlich mit einem theoretisch berechneten Wert verglichen werden.

Zunächst wird mit Hilfe des Energieerhaltungssatzes die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt der Fadendurchtrennung bestimmt:

Nun kann mit Hilfe der Formeln für eine gleichförmige Bewegung und den freien Fall die Wurfweite bestimmt werden:

Umstellen auf und einsetzen in die rechte Gleichung ergibt

Umstellen auf :

Setzt man nun aus der ersten Gleichung ein, kann nur mit Variablen die im Versuch direkt messbar sind berechnet werden:

Die Unsicherheit dieses berechneten Wertes, wird durch das Gauß'sche Fehlerfortpflanzungsgesetzt berechnet:

Die Unsicherheit für die Höhe besteht ausschließlich aus dem Ablesen der Skala auf einem Lineal und entspricht . Die Unsicherheit der Höhe über dem Boden beträgt . Die systematische Unsicherheit bei der Wurfweite wird mit angegeben. Der größere Werte entsteht, da zum Einen beim Aufprallen der Kugel die Kreide leicht verwirbelt wird. Und zum Anderen befindet sich die Kugel während der Messung über dem Tisch, wodurch die Bestimmung des Nullpunkts deutlich erschwert wird. Die zufällige Unsicherheit wird aus der Standabweichung berechnet und beträgt , wodurch man erhält.

Nun kann der theoretische Wert mit dem praktischen verglichen werden:


Die Vertrauensbreiche der beiden Werte überschneiden sich eindeutig. Wird beim Aufbau genau gearbeitet, handelt es sich um einen zuverlässigen Versuch, bei dem mit guten Ergebnissen zu rechnen ist. Selbst bei den einzelnen Durchführungen ohne Wiederholung bei gleicher Höhe überschneiden sich die Vertrauensbereiche. Dies wird bestätigt, da die zufällige Unsicherheit im Vergleich zur systematischen vernachlässigbar ausfällt. D.h. der Versuch kann auch gut in der Schule angewandt werden, ohne das notwendigerweiße mehrere Wiederholungen durchgeführt werden müssen.

Sicherheitshinweis

Bis auf einen vorsichtigen Umgang mit der Rasierklinge, weist der Versuch keine Sicherheitsbedenken auf.

Literatur

  1. https://www.youtube.com/watch?v=HWAjegTzRKM
  2. 2,0 2,1 Rath, V.; Reinhold, P., Erhebung diagnostischer Performanz bei der Diagnose von Schülervorstellungen (in der Mechanik) In Maurer, C. [Hrsg.]: Implementation fachdidaktischer Innovation im Spiegel von Forschung und Praxis. Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik Jahrestagung in Zürich 2016. Regensburg : Universität Regensburg 2017,827 S. - (Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik; 37)
  3. 3,0 3,1 Duit, R., Alltagsvorstellungen und Physik lernen In Kircher, E., Girwidz, R., and Häußler, P. (2010). Physikdidaktik: Theorie und Praxis. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, 2. aufl.
  4. http://www.physikdidaktik.info/data/_uploaded/Delta_Phi_B/2016/Bogner(2016)Schuelervorstellungen_in_der_Physik_DeltaPhiB.pdf