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Bestimmung von Halbwertsdicken

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Bestimmung von Halbwertsdicken
Foto des Aufbaus

Vollständiger Aufbau

Kurzbeschreibung
Mit dem einfachen Aufbau können schnell und für Schüler leicht durchführbar mit den Rechenmitteln der Sekundarstufe 1 (Einführung des Logarithmus in der Klasse 10) Halbwertsdicken für verschiedene Strahlungsarten und Präparate bestimmt werden.
Kategorien
Atom- und Kernphysik
Einordnung in den Lehrplan
Geeignet für: Sek. I
Basiskonzept: Struktur der Materie
Sonstiges
Durchführungsform Lehrerdemonstrationsexperiment oder Schülerexperiment
Anspruch des Aufbaus leicht
Informationen
Name: Alexander Boenke
Kontakt: @
Uni: Humboldt-Universität zu Berlin
Betreuer*in: Nico Westphal
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Strahlenschutz spielt in vielen Bereichen der modernen Wissenschaft eine wichtige Rolle. Oftmals entsteht ionisierende Strahlung als Nebenprodukt von Reaktionen wie Kernspaltung in Atomkraftwerken oder bei der Kollision von Teilchen in Teilchenbeschleunigern. Die Strahlung hat in verschiedenen Medien unterschiedliche Reichweiten. Die Untersuchung dieser Reichweiten ermöglicht eine zweckmäßige Konstruktion von Abschirmungen gegen Strahlung, wie z.B. Behälter für Atommüll, Reaktormäntel und Bunkerwände. Der folgende Versuch untersucht in exemplarischen Materialien die Reichweiten von Alpha-, Beta- und Gamma- Strahlung.

Didaktischer Teil

Ziele des Experiments

Der Versuch soll ein tieferes Verständnis für die Gefahreneinschätzung im Umgang mit Radioaktivität fördern. Die SuS sollen auf Fragen wie "Ist das sicher?","Muss ich in der Nähe von Atomreaktoren Angst haben?" usw. selbst eine Antwort finden können. Außerdem sollen Experimentierkompetenzen bei Schülerinnen und Schülern sollen verbessert werden. Das Experiment ist durch seine einfache Struktur gut geeignet, um sämtliche Phasen des Experimentierens durch die Klasse durchgehen zu lassen, von der Planung bis hin zur Auswertung.

Es sollen inhaltlich drei Dinge gezeigt werden:

  • Strahlung wird in der Regel nicht vollständig absorbiert, sondern immer nur nach einer bestimmten Durchdringungsdicke um einen festen Prozentsatz reduziert. Da es sich um einen nicht-deterministischen Vorgang handelt, kann jedoch auch bereits nach wenigen mm die Strahlung bereits absorbiert worden sein, es ist nur sehr unwahrscheinlich. Das intuitive Ziel, die durchkommende Strahlung auf 0% des Ausgangswertes zu reduzieren, kann der Strahlenschutz nicht gewährleisten, sondern es soll erreicht werden, die ionisierende Strahlung unter einen Grenzwert zu reduzieren, der im Optimalfall auf oder unter dem Niveau der Hintergrundstrahlung liegt.
  • Verschiedene Materialien absorbieren die Strahlungsarten unterschiedlich stark.
  • Die Gefahr der Alpha-Teilchen geht nicht von ihrer Reichweite, sondern von ihrem großen Wirkungsquerschnitt aus. Eine Abschirmung ist nötig, aber muss nicht sehr dick sein.

Das Konzept der Halbwertsdicken kann weiterhin in alltagsnähere Situationen wie die Reichweite eines W-LAN-Routers übertragen werden. Die Absorption der gesendeten Wellen durch Wohnungswände, ein leidliches und sehr alltagsnahes Problem vieler Schülerinnen und Schüler, findet ebenfalls nach einem ähnlichen Prinzip statt. Auch Handyempfang kann an dieser Stelle als horizontaler Transfer nach Kircher [1] verwendet werden.

Versuchsanleitung

Aufbau

Jede Schülergruppe soll alle drei Strahlungsarten unabhängig von den anderen Gruppen untersuchen, um Vergleiche unter den Gruppen zu ermöglichen.

Benötigte Materialien

Eine Messstation benötigt:

1 x Stativstange (groß)
1 x Stativständer oder Tischklemme
1 x Klemme für Präparathalter
1 x Klemme für Abschirmmaterial (Öffnung größenverstellbar)
1 x Klemme für Geiger-Müller-Zählrohr
1 x Digitalzähler zur Auswertung (alternativ auch Cassy, wenn die SuS bereits damit vertraut sind)
3 x Schülerpräparate (Alpha-, Beta- und Gamma-Strahler)
X x Papierscheiben, Aluminium- und Bleiplatten verschiedener Dicke
1 x Warnschild fürs Experimentieren mit radioaktivem Material

Zusammenbau

  1. Der Stativständer bzw. die Tischklemme wird befestigt und die Stativstange senkrecht dort festgeschraubt.
  2. Die Klemme für den Präparathalter und das Geiger-Müller-Zählrohr werden im Abstand von etwa 5 cm an der Stativstange befestigt. Auf einen 1 cm mehr oder weniger kommt es dabei nicht an, wichtig ist nur, dass der Abstand später nicht mehr verändert wird. Es ist sogar didaktisch sinnvoller, wenn verschiedene Stationen verschiedene Abstände haben, um zu zeigen, dass dieser für die Halbwertsdicken irrelevant ist.
  3. Die Klemme für das Abschirmmaterial kommt nun zwischen die anderen Klemmen und wird ebenfalls nicht mehr entlang der Stativstange verschoben.
  4. Zuletzt wird noch das Geiger-Müller-Zählrohr an den Digitalzähler angeschlossen und der Zähler mit Strom versorgt.

Der Aufbau ist abgeschlossen (s. Abb.1) und die Präparate liegen in ihrem Schutzbehälter zur Messung bereit (s. Abb.2)

Durchführung

Sicherheitsunterweisung

Die Lehrkraft demonstriert den SuS den korrekten Umgang mit den Schülerpräparaten und gibt sie erst aus, sobald alle Aufbauten abgeschlossen sind. (s. Abschnitt Sicherheitshinweise am Ende)

Hintergrundmessung

Zuerst muss der Strahlenhintergrund gemessen werden. Dazu wird ohne eingesetztes Präparat die Zählrate am Digitalzähler (s. Abb. 3) abgelesen und notiert. Sie muss bei der Auswertung von der Messung abgezogen werden. Um die Zählrate zu erhalten, muss nach Inbetriebnahme des Gerätes über den "Function"-Knopf auf "RPM" umgeschaltet werden. Das steht für "Rate per minute".

Die Schülerinnen und Schüler stecken nacheinander verschiedene Materialien in die mittlere Klemme und messen jeweils die Zählrate. Sie beginnen mit einer möglichst geringen Dicke des Materials. Stellt sich heraus, dass die Zählrate bei einem Material dem gemessenen Hintergrund nahe kommt, wird das nächste Material ausprobiert.

Messung mit Alpha-Strahlung (Am-241)

Auf Grund der kurzen Reichweite von Alpha-Strahlung ist es nicht zweckmäßig, mit diesem Aufbau eine Halbwertsdickenbestimmung für die Materialien durchzuführen. Es bleibt lediglich zu zeigen, dass bereits Papier nur noch einen sehr geringen Prozentsatz an Strahlung hindurchlässt. Ein Hinweis an dieser Stelle durch die Lehrkraft, die Messung für die Halbwertsdicke bei dem Präparat, welches von allen Materialien extrem stark abgeschirmt wird, nur beispielhaft durchzuführen, ist angebracht. Es muss nicht dazu erwähnt werden, welches der drei Präparate so leicht abschirmbar ist.

Messung mit Beta-Strahlung (Sr-90)

Die SuS vergrößern schrittweise die Dicke der Materialien und nehmen Datenpaare auf. Der erste Wert ist die Dicke des Materials, der zweite die gemessene Zählrate. Die Schrittweite der Dicken richtet sich nach den in der Schule vorhandenen Absorptionsplatten. Wenn möglich sollten nicht zu große Schritte gewählt werden (z.B. von 0,1 mm auf 2 mm).

Messung mit Gamma-Strahlung (Co-60)

Gleiches Vorgehen wie bei der Messung mit Beta-Strahlung.

Ergebnisse

Hintergrundmessung

Über 20 Minuten wurden die Zerfälle gemessen und es ergab sich im Mittel ein Strahlenhintergrund von 17,4 ± 0,3 Zerfällen pro Minute (RPM)

Messung mit Alpha-Strahlung (Am-241)

Die gemessenen Zählraten sind gemittelt über jeweils 5 Messungen.

Abschirmungsmaterial Zählrate pro Minute
keine Abschirmung 16588,8
Papier 0,1 mm 458,4
Alu 0,1 mm 420
Alu 0,5 mm 216
Blei 2 mm 4,3

Messung mit Beta-Strahlung (Sr-90)

Abschirmungsmaterial Zählrate pro Minute
keine Abschirmung 35736
Papier 0,1 mm 34054,2
Alu 0,1 mm 31810,8
Alu 0,5 mm 20578,8
Alu 1 mm 12324
Alu 2 mm 2018,4
Alu 3 mm 208,2

Messung mit Gamma-Strahlung (Co-60)

Abschirmungsmaterial Zählrate pro Minute
keine Abschirmung 736,2
Alu 2 mm 708,6
Blei 2 mm 652,8
Blei 4 mm 560,4
Blei 8 mm 429
Blei 16 mm 241,2

Auswertung

Bei allen Messungen fand vor der Auswertung eine Bereinigung der Werte um den Hintergrund von 17,4 Impulsen pro Minute (RPM) statt.

Messung mit Alpha-Strahlung (Am-241)

Abb. 4 Messung mit Am-241


Die Ergebnisse bei der Messung mit Am-241, einem Alpha-Strahler, zeigen deutlich, dass bereits Papier von 0,1 mm Dicke mehr als 95% der Strahlung absorbiert. Um die Halbwertsdicke von Papier für Alpha-Strahlung besser bestimmen zu können, müssten Papierdicken von <0,1 mm beschafft werden, was sich mit herkömmlichen Papierstärken schwierig gestaltet.

Folgerung dieses Versuchsteil ist auch, dass selbst sehr dünne Abschirmungen aus wenig dichten Materialien ausreichen, um die Alpha-Teilchen sehr stark abzuschwächen.

Weiterführend:

Zusammen mit der Information, dass Alpha-Teilchen auf Grund ihres hohen Wirkungsquerschnitts ein enormes Gefahrenpotential haben, muss also vor allem die Konvektion (Teilchenbewegung) durch entsprechende Trennwände unterbunden werden. Die Dicke der Wand ist vergleichsweise unwichtig, lediglich das Vorhandensein einer solchen ist wichtig.

Messung mit Beta-Strahlung (Sr-90)

Abb. 5 Messung mit Sr-90


Betrachtet man die relativen Zählraten zur Ausgangszählrate ohne Abschirmung, fällt auf, dass Aluminium in den vorhandenen Dicken bei der Abschirmung der Beta-Strahlung eine Wirkung zwischen 10 und 70% erzielt. Das vorhandene Aluminium können wir nun nutzen, um dessen Halbwertsdicke zu bestimmen.

Der Begriff der Halbwertsdicke kommt von der Annahme des Absorptionsgesetzes, dass die durchgelassene Strahlung mit der Dicke x des absorbierenden Materials exponentiell abnimmt. ist der Absorptionskoeffizient des Materials, der von der Energie der einfallenden Strahlung abhängt.



Durch mathematische Umformungen kommt man zur logarithmischen Darstellung des Absorptionsgesetzes zur Basis 2 der Form



In dieser Form ist die sogenannte Halbwertsdicke, d.h. die Dicke eines Materials, die eine Teilchenmenge einer bestimmten Energie durchlaufen muss, um auf 50% der Ausgangsintensität reduziert zu werden. Umgestellt nach der Halbwertsdicke ergibt sich:


Die Messwerte für die jeweiligen Abschirmdicken werden paarweise in die Gleichung eingesetzt, um die Halbwertsdicke zu bestimmen. Aus allen errechneten Halbwertsdicken bildet man am Schluss einen Mittelwert.

Alternativ ließe sich auch aus der Kurve, in der die Restintensität gegenüber der jeweiligen Abschirmdicke aufgetragen wurde, graphisch ein Wert für die Halbwertsdicke ermitteln.

Für Aluminium und die Beta-Strahlung des Strontium-90-Präparats in der Messung ergeben sich folgende Halbwertsdicken:

Abschirmdicke Errechnete Halbwertsdicke in mm
Alu 0,1 mm 0,59
Alu 0,5 mm 0,63
Alu 1 mm 0,65
Alu 2 mm 0,48
Alu 3 mm 0,40

Der gemittelte Wert beträgt:

Ein Vergleich des Wertes mit Messwerten der Seite Leifi-Physik[2] Leifi-Physik zu einem ähnlichen Versuchsaufbau zeigt, dass der hier bestimmte Wert mit seinem Konfidenzintervall über dem von Leifi-Physik (0,42mm) liegt. Für diesen Wert ist aber kein Konfidenzintervall angegeben worden. Die beiden Intervalle überschneiden sich bereits ab einem angenommenen Fehler der Leifi-Messung von 5%.

Messung mit Gamma-Strahlung (Co-60)

Abb. 6 Messung mit Co-60


Bei der Gamma-Strahlung des Kobalt-60-Präparates verhält es sich mit Blei ähnlich wie mit dem Aluminium beim Strontium zuvor. Es wird also Blei verschiedener Dicken untersucht. Die Messwerte mit Blei als Absorptionsmaterial ergeben folgende Halbwertsdicken:

Abschirmdicke Errechnete Halbwertsdicke in mm
Blei 2 mm 11,24
Blei 4 mm 9,89
Blei 8 mm 9,95
Blei 16 mm 9,50

Der gemittelte Wert beträgt:

Für Blei und die Absorption von Gamma-Strahlung lässt sich der Wert mit einem Messwert des Fachverbands für Strahlenschutz[3] vergleichen. Dieser gibt für eine Energie von 1 MeV eine Halbwertsdicke von 9 mm und für 5 MeV 14 mm an. Die emittierten Strahlenenergien beim Zerfall von Cobalt-60 liegen bei etwa 1,1 - 1,3 MeV [4]. Der ermittelte Wert passt also ins Referenzintervall hinein.

Weiterführendes und Unsicherheiten

Allen Präparaten gemein ist der statistische Fehler, bedingt durch die Anzahl an Messungen. Je mehr Messungen durchgeführt werden, desto besser das Ergebnis. Das Messsystem Cassy kann helfen, eine große Menge an Daten automatisiert aufzunehmen. Der Versuch hat also Potential in den Bereich des Leistungskurses ausgeweitet zu werden.

Systematische Fehler sind unterschiedlich bei den jeweiligen Präparaten. Die Messwerte müssen zwar alle um den Strahlenhintergrund korrigiert werden, aber beim Am-241 und Co-60 tritt nicht nur eine Strahlungsart auf. Am-241 emittiert außer Alpha- noch Gamma-Strahlung. Für Am-241 wurde keine Halbwertsdicke bestimmt, deshalb kann das vernachlässigt werden. Bei Co-60 tritt jedoch ein nicht verschwindender Prozentsatz Beta-Strahlung auf. Das merkt man in den Messwerten an der Reduktion der Zählraten durch Aluminium. Aluminium kann Gamma-Strahlung kaum absorbieren, das Ergebnis würde bei reiner Gamma-Emission keinen Sinn ergeben. Blei absorbiert Beta-Strahlung bereits bei geringer Dicke nahezu vollständig. Dennoch ließe sich das Messergebnis für die Halbwertsdicke von Blei bei 1,1-1,3 MeV noch weiter verfeinern, indem der Beta-Strahlungsanteil durch einen Magneten herausgefiltert wird. Die Ladung der Beta-Teilchen würde mit der Lorentzkraft zu einer Ablenkung dieser führen und verhindern, dass sie am Zählrohr ankommen. In einem Lehrerdemonstrationsexperiment kann man das ergänzend vorführen.

Sicherheitshinweise

Für den Umgang mit radioaktiven Präparaten gelten die Regeln des Strahlenschutzes für den Unterricht [5] , wobei die wichtigsten hier noch einmal aufgeführt sind.

  • Die Teilnahme an Versuchen mit Radioaktivität ist grundsätzlich freiwillig.
  • Bei Schwangeren ist besondere Vorsicht geboten.
  • Präparate nur solange aus dem Behälter nehmen, wie sie verwendet werden.
  • Die Präparate sind immer in Richtungen zu halten, in denen sich keine Personen oder Lebensmittel befinden.

Der Aufbau ist bereits so konstruiert, dass, sobald die Präparate einmal in der Klemme hängen, gefahrlos um den Aufbau herumgegangen werden kann. Es muss kein zusätzlicher Schirm hinter dem Zählrohr angebracht werden. Sollte der Aufbau aus bestimmten Gründen in der horizontalen Erfolgen, ist das zu beachten.

Literatur

  1. [Kircher, Girwidz, Häußler, Physikdidaktik-Theorie und Praxis, Springer Lehrbuch, 2.Auflage 2010]
  2. Leifi Physik Halbwertsdicke Aluminium
  3. [Deutsch-Schweizerischer Fachverband für Strahlenschutz (FS) e. V.: Daten und Fakten zum Umgang mit Radionukliden und zur Dekontamination in Radionuklidlaboratorien, Loseblattsammlung, Teil 1.4 Abschirmung, Oktober 1997 Halbwertsdicke Blei]
  4. Zerfall Cobalt-60
  5. Richtlinien zu Schutz und Sicherheit im Unterricht 2009